„Rassenfrage“ statt Klassenfrage

Acht Thesen zur völkischen Ideologie und zu Ansätzen linker Gegenstrategien

I. Die AfD betreibt eine Politik der Enttabuisierung rechter Begrifflichkeiten („Altparteien“, „Lügenpresse“ usw.). Rechtes Gedankengut, das latent in der Bevölkerung seit 1945 immer präsent war, wird „hoffähig“, der Diskurs des Sagbaren verschiebt sich. Feindbild ist die „political correctness“. Es gehört in rechten Kreisen wieder zum „guten Ton“, gegen „Schwule“, „Ausländer“,

„Muslime“, „Gutmenschen“ u.a. zu hetzen. So steht in ihrem Programm zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein: „Ein Meinungskartell aus etablierten Parteien, Medien, Kirchen und Gewerkschaften verhindert offene und belebende Debatten.“ (zukünftig: LTW 17)

II. Kern ihrer Politik ist eine „Politik der Angst“. So formulieren sie: „Die unweigerlichen Folgen sind ein Zusammenbruch der Sozialsysteme, soziale Unruhen und schon jetzt schwerste Gefährdungen der inneren Sicherheit.“ (LTW 17) Aufgabe linker und antifaschistischer Politik ist es, dieser Angst eine Politik der Hoffnung, der Alternativen entgegenzusetzen. Wir stehen gegen das „Weiter so“ der gegenwärtigen Politik, aber noch viel mehr gegen die vermeintlichen Lösungen der Rechten, die im Kern nur aus Menschenhass in unterschiedlichen Schattierungen bestehen.

III. Feindbild ist die offene, aufgeklärte Gesellschaft, der ganz offen mit Hass begegnet wird: „(H)inter den abgedroschenen Phrasen von Toleranz, Offenheit und Willkommens-Kultur steckt knallharte Multikulti-Ideologie, die zu Ende gedacht die kulturelle Selbstaufgabe bedeutet.“ (LTW 17) Dabei sollte klar sein: Der Hass ist momentan laut und öffentlich vernehmbar. Diejenigen, die an einer solidarischen Gesellschaft festhalten, sind aber in der übergroßen Mehrheit. Sie müssen lauter werden.

IV. Die sozialen Netzwerke wirken wie ein Brandbeschleuniger, weil sie selbstreferentielle Netzwerke ermöglichen, die sich immer auf die gleichen Quellen beziehen („compact“, „Kopp-Verlag“, „Anonymous“, „Russia Today“ usw.). Die AfD spielt ganz bewusst mit verschwörungsideologischen Diskursen („Frühsexualisierung“, „amerikanische Kolonie“, „fehlende Souveränität“ usw.). Als Linke und Antifaschisten müssen wir diese Entwicklung ernstnehmen. Dazu gehört auch, in den sozialen Netzwerken verstärkt Aufklärung zu betreiben.

V. Der Erfolg der Rechten ist eine Folge des neoliberalen Kapitalismus und des ewiggleichen „Weiter so“ der politischen und wirtschaftlichen Eliten. Was als realistisch verkauft wurde (Privatisierungen nützen der Allgemeinheit, Lohnkürzungen führen zu mehr Wohlstand, Auslandseinsätze bringen Frieden usw.), hat sich als gefährliche Illusion herausgestellt.

VI. Mehr als alle anderen Parteien rekrutiert die AfD ihre Wähler*innen aus der Mittelschicht (Studie „Die enthemmte Mitte“). Der Protest dieser Wähler*innen ist keine Antwort auf eine reale soziale Situation, sondern auf eine verzerrte Wahrnehmung der Realität. Angeboten werden reaktionäre, autoritäre Antworten auf eine gesellschaftliche Krisensituation.

VII. Wirtschaftspolitisch ist die AfD marktradikal. Sie will den „Mittelstand“ von „Überregulierung befreien“, wendet sich gegen den Windkraftausbau und spricht sich für Laufzeitverlängerungen von AKWs aus. Ihr Feindbild ist ein angeblicher „öko-industrieller Komplex“. Gesundheitsleistungen wollen sie auf einen „Grundleistungskatalog zur Abdeckung hoher Risiken“ reduzieren. (LTW 17) Es sei aber davor gewarnt: Auch wenn sie Abstand nehmen von neoliberalen Positionen der Lucke-Ära, der reaktionäre Charakter bliebe auch bei einem national-sozialen Programm à la NSDAP erhalten.

VIII. Die AfD ersetzt in ihrer Rhetorik die Klassenfrage durch die „Rassenfrage“. Für sie steht das „nationale Kollektiv“ gegen alles, was als fremd konstruiert wird. Wenn Frauke Petry meint, der Begriff „völkisch“ müsse wieder positiv aufgeladen werden, wird dadurch der Kern ihrer Politik deutlich. Ihre Ideologie ist gegen Gleichheit, Vielfalt und Emanzipation gerichtet. Auch wenn „rechtspopulistisch“ allgemeinverständlicher ist, im inneren Kern ist die Programmatik der AfD völkisch-rassistisch.

Der Text ist zuerst erschienen in der Januarausgabe (Nr. 92, 1/2017) des „antifa-rundbrief“ der VVN-BdA Schleswig-Holstein.