Warum „eso-faschistisch“?

Warum bezeichne ich die Netzwerke, die im Hintergrund der „Mahnwachen für den Frieden“ wirken, eigentlich nicht als „neu-rechts“, sondern als eso-faschistisch? Weil ich denke, dass wir es hier mit einem relativ neuen Phänomen zu tun haben, das vor allem klassischen Vernunftbegriffen widerspricht, deshalb auch schwer von linker Kritik greifbar ist – vielleicht das auch ein Grund, warum einige Linke darauf hereinfallen.

Es ist ein Gemisch aus krass esoterischem und rechtem Gedankengut. Dabei handelt es sich um keine konsistente Ideologie, sondern eine recht wahllose Aneinanderreihung verschwörungstheoretischer Erklärungsmuster für gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Es wird also versucht, für komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge einfache Erklärungen zu finden. Es handelt sich in gewisser Weise um unterschiedliche Ausprägungen einer „Alltagsreligion“ (Detlev Claussen).

Auf der Homepage von Lars Mährholz finden sich bspw. einfache Erklärungen für Kriege (FED), Behauptungen, die BRD sei kein legitimer Staat („staatenlos“), Bezüge zu Befürwortern der Abschaffung der Schulpflicht, Verweise auf den Holocaust relativierende Seiten und anderes; ein krudes ideologisches Gemisch, radikal anti-aufklärerisch. Menschen, die auf diese rechten Zusammenhänge verweisen, wird vorgeworfen, sie würde die „Nazikeule“ (siehe Foto, Dank an GenFM) schwingen. Auch Mährholz selbst meint: „Wir können doch nicht weiter in dem Gedanken feststecken bleiben, wir müssen
die Nazis bekämpfen oder sowas!“ (http://www.youtube.com/watch?v=50LXefSCFBU)

Das können innerhalb dieser eso-faschistischen Netzwerke dann Themen sein, die sich um unsere Umwelt drehen („Klimalüge“, „Chemtrails“), um Physik („Hohlerde“, „Reichsflugscheiben“), um Finanzen („Schuldgeldsystem“, „Giralgeld“, „FED“, „Rothschilds“), verfassungsrechtliche Fragen („Deutsches Reich in den Grenzen von 1914“, „fehlende Souveränität der BRD“, „keine Geltung des Grundgesetzes“), bis hin zur Relativierung der deutschen Schuld und des Holocaust, garniert alles mit der Behauptung, generell für den Frieden zu sein, gegen Krieg, und vor allem: unpolitisch, weder links noch rechts.

Gemeinsam ist allen ein radikaler Skeptizismus gegenüber allen Formen von Politik, Medien usw., verbunden mit dem Glauben, über vollkommen selbstreferentielle YouTube-Videos, Beiträge von Ken Jebsen, Jürgen Elsässer, Andreas Popp u.a. „die Wahrheit“ erfahren zu können. Alle anderen, die nicht ihre Welterklärung teilen, haben eben die „Wahrheit“ noch nicht erkannt, schlafen noch, sind „Schlafschafe“ oder „Systemlinge“. Kritiker_innen werden aggressiv angegangen, ihnen wird mit Mord gedroht, sie sollen aufgehängt werden, nach dem Ende des „Systems“ in Konzentrationslager eingewiesen werden usw.

Noch einmal: Es lässt sich erklären, warum einige Linke darauf hereinfallen, wie auch an dem ein oder anderem Aufruf der letzten Zeit erkennbar. Dahinter steckt in der Regel Uninformiertheit, auch ausgehend von der Annahme, wer für den Frieden sei, könne so arg gar nicht sein. Und: Es stimmt, auf den Mahnwachen findet sich auch ein Teil von Menschen, die aus Naivität, nach einem realen Friedenswunsch (den in der letzten Zeit sowohl die Linke als auch die Friedensbewegung nicht ausreichend Ausdruck verliehen haben!) sich sehnend, dort hin geraten sind. Ich verstehe deshalb auch die Verzweiflung einiger, wenn sie meinen, mit „den Rechten“ in einen Topf geworfen zu werden.

Was aber kann die Antwort sein? Aus meiner Sicht nicht, an den „Mahnwachen für den Frieden“ teilzunehmen. In letzter Zeit häufen sich ja bspw. Berichte von Aussteigern aus den unterschiedlichen Orga-Teams, die noch einmal eindringlich – aus einer Innensicht – vor einer Verharmlosung dieser Bewegung warnen. Da die Orga in der überwiegenden Anzahl der Städte, soweit mir bekannt, in der Hand von Leuten steht, die den eso-faschistischen Netzwerken zumindest nahestehen, scheint es mir eine Illusion, dort irgend etwas bewirken zu wollen. Nicht zuletzt das Auftreten von Pedram Shahyar und Prinz Chaos II. hat dies eindringlich vor Augen geführt: Die Beiträge werden eingerahmt von der „Friedensdemohymne“ von Photon, die alle Thesen zur FED in ihrem Lied bedienen. In Hamburg wurde bspw. die Rede von Pedram gefolgt von einem Beitrag einer Verfechterin der Idee, das Grundgesetz habe keine Gültigkeit usw. Bei diesen Aktivisten verpufft der an sich aufklärerische Impuls wirkunsglos.

Stattdessen? Alternativen entwickeln, auch und gerade mit der „alten“ Friedensbewegung, kulturvoll dagegenhalten, Bündnisse knüpfen und selbst aufklärerisch tätig werden, für den Frieden, gegen Kriegstreiberei! Versuchen, Menschen, die ehrlich für den Frieden sind, ohne eso-faschistisches Beiwerk (auch und gerade auf den Mahnwachen!) zu überzeugen, dass die Antwort auf reale gesellschaftliche Verwerfungen nicht heißen darf: Weniger Demokratie, weniger Emanzipation, weniger Aufklärung, sondern von allem immer mehr! Und vor allem: Besser werden, humorvoller, klarer werden, auch, wo es noch nicht geschieht, intensiver die „neuen Medien“, die „sozialen Netzwerke“ nutzen, um Aufklärungsarbeit zu leisten – mit Musik, Spaß, Ironie der Dumpfheit, der Verbissenheit entgegentreten

If I can’t dance, I don’t want to be part of your revolution.

Einige Verweise: