1 Format6001 (1)

Neue Hoffnung in der SPD?

Einst wollte er den Kapitalismus überwinden, dann meinte er, den Rechtsradikalen den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er in Hamburg den Brechmittel-Einsatz einführte. Achidi John war das erste Todesopfer der Politik von Olaf Scholz, das sollten wir niemals vergessen! Deshalb bin ich froh, dass nicht Olaf Scholz zum SPD-Vorsitzenden gewählt worden ist.

Wenn jetzt aber auch aus Reihen meiner Partei die beiden neuen als Hoffnungsträger*innen ausgerufen werden, wenn jetzt Rot-rot-grün wieder einmal als Perspektive herhalten muss, will ich etwas Wasser in den Wein kippen: Ich erinnere mich gut an den Wahlkampf der PDS 2002, wo erzählt wurde, nur diese Partei könne noch eine vermeintlich linke Mehrheit retten. Die PDS ist verdient aus dem Bundestag geflogen, wenige wollten ein Anhängsel wählen. DIE LINKE ist als neue, gesamtdeutsche Partei dann lange Zeit gut gefahren, sich als Korrektiv der Agenda-Politik der SPD zu präsentieren.

Ich glaube, diese Zeit ist vorbei. Wir stehen gesellschaftlich vor einer Situation, in der es ums Ganze geht. Der Neoloberalismus ist scheintot, wird nur noch durch die Abwehrkämpfe der herrschenden Klasse am Leben erhalten. Die Rechten präsentieren sich als Alternative zum neoliberalen Establishment. Die Grünen bemühen sich um ein soziales Antlitz und die SPD ringt um eine neue Perspektive. Ich erinnere mich, wie zuletzt Martin Schulz als Hoffnungsträger abgefeiert wurde, auch die ehedem „linksradikale“ Juso-Vorsitzende Andrea Nahles galt mal als Hoffnung.

In dieser Situation Farbkombinationen zu diskutieren und einen Wechsel beim Vorsitz der SPD abzufeiern, halte ich für den falschen Weg. Auch Esken und Walter-Borjans sind ja nicht als Lichtgestalten auf der Bildfläche erschienen, ihre Wahl ist Ausdruck dessen, dass ein Teil der SPD keine Lust mehr hat auf das Agenda-Personal. Wie die Perspektive aussieht, ist völlig unklar, welche Kraft sie entfalten kann, ebenso. Man sollte nicht die Beharrungskräfte der Partei unterschätzen, in der Familien sich keinen Kaffee mehr leisten können.

Für DIE LINKE stellt sich deshalb die Aufgabe neu: Wie kann sie eine soziale Alternative entwickeln, die sich sowohl vom neoliberalen Einerlei abhebt, als auch ganz konkret und offensiv Rassismus und Menschenhass entgegentritt. Es braucht eine Partei, die ihre vielen guten Vorschläge nicht mehr verschämt in die Öffentlichkeit einbringt, sondern die Erzählung nach vorne stellt, dass die solidarische Gesellschaft der Freien und Gleichen möglich und lebenswert ist. Dass wir den Kapitalismus überwinden wollen, nicht als abgehobene, sondern konkrete Utopie, die wir in jedem Bereich beschreiben können und die doch von dem großen Gedanken der Gesellschaft getragen wird, in der die Freiheit des Einzelnen die Bedingung der Freiheit aller ist.

Das ist nur möglich mit einer Partei in Bewegungen, die fest in den gegenwärtigen Bewegungen verankert ist. Da haben wir in den letzten Jahren viele gute Schritte gemacht: In Mieter*innenbündnissen, antifaschistischer oder feministischer Bewegung, Pflegebündnissen, bei der Seebrücke oder unteilbar und zuletzt auch in der Klimabewegung. Wir haben die Chance, diese Kämpfe zu verbinden in unserer Programmatik, unseren Diskussionen und Aktionen.

Gerade der Kampf um Klimagerechtigkeit macht die Perspektive der ganz anderen Gesellschaft auf: Mit den Prinzipien der Steigerung des Mehrwerts, der Konkurrenz aller gegen Alle, der Ausbeutung der kapitalistischen Peripherien und des grenzenlosen Wachstums fährt die Menschheit die Zivilisation gegen die Wand – die Warnung der Vereinten Nationen vor „Klima-Apartheid“ oder die Beschreibung Al Gores der gegenwärtigen globalen Machtverhältnisse als „Klima-Rassismus“ machen das eindringlich klar. Die sozialen Bewegungen haben das Fenster aufgestoßen, es wird wieder über „system change“ geredet, niemand glaubt mehr, dass der Kapitalismus das „Ende der Geschichte“ oder „alternativlos“ ist. Und wir können beschreiben, welche Schritte wir hier und jetzt, im Falschen, gehen wollen, um diese Gesellschaft grundstürzend zu verändern.

Also haben wir den Mut und kämpfen für eine emanzipatorische, öko-sozialistische Partei, die nicht zurück hinter 1989 will, sondern in und mit den sozialen Bewegungen den Kampf um die Zukunft aufnimmt und klar und deutlich sagt, wie die linke Erzählung einer gerechten Welt aussieht. Dafür ist das Parlament kein Selbstzweck, sondern Mittel, aber nicht das alleinige Fundament unserer Politik. Dafür brauchen wir den Mut zu sagen, dass wir das ganz andere wollen, eine radikale Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche. Die Chance, zu dieser LINKEN zu werden, ist da.