In einem bayerischen Gemüsebetrieb sind 174 Menschen an Corona erkrankt. Das Muster ist bekannt: Saison- und Vertragsarbeiter*innen der Lebensmittel- und Agrarindustrie werden unter schlechten Bedingungen in Deutschland als billige Arbeitskräfte eingesetzt und dabei oft schlecht und in großen Sammelunterkünften untergebracht.

Eine erkrankte Person reicht unter diesen Umständen für einen großen Ausbruch im Betrieb, doch die Gesundheit der Saison- und Vertragskräfte scheint nicht zu interessieren. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich an diesen Zuständen nichts geändert.

Einmal mehr zeigt sich die Klassen-Dimension der Pandemie: Die in unserer Gesellschaft oft unsichtbaren Ausgebeuteten aus Ost- und Südosteuropa, die für Billiglöhne unser Fleisch und Gemüse produzieren, das dann günstig auf den deutschen Markt geworfen werden kann, tragen das höchste Risiko an Corona zu erkranken.

Je weiter unten in der Hierarchie der Klassengesellschaft eine Person steht, desto weniger Schutz vor der Pandemie wird ihr zuteil. Und der Regierung scheint das alles so lange egal zu sein, bis ein Ausbruch möglicherweise über die Betriebsgrenzen hinaus gefährlich wird. Die Saisons – und Vertragskräfte sind in ihrem Blick nicht Teil der deutschen Gesellschaft, obwohl sie hier leben, sondern austauschbare Rädchen im Getriebe einer Industrie, deren reibungsloses Funktionieren sichergestellt werden muss.

Ob in der Fleischindustrie, bei der Gemüseernte oder bei der Spargelernte – wo sich die Bundesregierung noch mitten in der schlimmsten Phase der Pandemie in Deutschland besonders darum bemühte, dass weiterhin genug billige Arbeitskräfte ins Land kommen konnten – gilt: Alle die dort arbeiten sind genauso Menschen wie jede andere Person in Deutschland und haben genau dasselbe Recht auf wirksamen Schutz vor Ansteckung.

Wenn das unter den momentanen Bedingungen nicht möglich ist, müssen diese Bedingungen unverzüglich so verändert werden, dass ein sicheres Arbeits- und Lebensumfeld gewährleistet ist.