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Klar denken, statt nicht denken.

In der vergangenen Woche habe ich über 1000 Mails von Bürger:innen zur Neufassung des Infektionsschutzgesetzes erhalten, über das morgen im Bundestag abgestimmt werden soll. Meine Mitarbeiter:innen und ich haben natürlich versucht, möglichst viele Mails zu beantworten. Wir haben dafür auch viel positives Feedback bekommen. Gerne stelle ich Euch meinen Antworttext für die Anfragen zur Verfügung.
Vorab noch ein paar Worte zum vorgelegten Gesetzesentwurf. Es ist sehr problematisch, dass die Bundeskanzlerin und Ministerpräsident:innen es über den Sommer verschlafen haben, einen Plan für die schon im frühen Sommer prognostizierte Zweite Welle, mit den Parlamenten zu erarbeiten. Es wäre ausreichend Zeit gewesen, um ein Gesetz in und mit den Parlamenten zu diskutieren, auszuformulieren und zu beschließen, das den demokratischen und rechtlichen Anforderungen entspricht. Statt gemeinsam mit den demokratischen Parteien ein solches Gesetz zu verabschieden, wurde mit der heißen Nadel ein löchriges Gesetz innerhalb kürzester Zeit zusammengestrickt, das wahrscheinlich weder unseren demokratischen noch den rechtlichen Anforderungen nachkommt. Natürlich kann und sollte darüber in den Parlamenten diskutiert und gestritten werden.
ABER natürlich handelt es sich NICHT, wie in vielen Mails der Bürger:innen und Social-Media-Beiträgen verbreitet, um ein Ermächtigungsgesetz 2.0. Hier verbietet sich der Vergleich zu den Nationalsozialisten, weil er relativierend und irreführend ist. Für morgen wurde von einigen verschwörungsideologischen und rechtextremen Organisationen und Personen zahlreiche Kundgebungen vor dem Deutschen Bundestag angemeldet, um diese Abstimmung beeinträchtigen oder verhindern zu können. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese gefährliche Allianz von Rechtsextremen, Neo-Nazis, Reichsbürgern, Verschwörungsideologen und Coronaleugnern wieder einmal ohne Anstand, ohne Abstand und ohne Mund-Nasen-Bedeckung „demonstrieren“ werden. Seit Tagen wird in den Sozialen Medien teilweise offen zu Gewalt aufgerufen. Mitarbeiter:innen und Abgeordnete sind gewarnt, denn durch Angriffe auf die Liegenschaften des Bundetages soll der Parlamentsbetrieb beeinträchtigt werden.
Eine starke Opposition muss insbesondere die Arbeit der Regierung und die Einhaltung demokratischer Spielregeln kontrollieren. Unsere Aufgabe ist es die Demokratie zu schützen. Das bedeutet aber nicht, quer (oder besser: nicht) zu denken, sondern klar zu denken.
Die Bürger*innenmails habe ich wie folgt beantwortet:
„Der § 28a konkretisiert die bisher schon möglichen Einschränkungen der Grundrechte. Da wir den bisherigen zwei Corona-Gesetzen nicht zugestimmt haben, werden wir dem aktuellen Gesetz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht zustimmen. Zur Information möchte ich Ihnen im Anhang den Antrag meiner Fraktion DIE LINKE übersenden, den wir jetzt ins parlamentarische Verfahren zum Dritten Bevölkerungsschutzgesetz gegeben haben und der unsere Position entsprechend widergibt. Im wesentlichen geht es dabei um drei Dinge: (https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/239/1923942.pdf)
1. Die Diskussionen und Entscheidungen müssen wieder in die Parlamente zurück. Zwar ermöglicht das Infektionsschutzgesetz es, dass Bund und vor allem die Länder per Verordnungen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung qua Exekutive durchsetzen können. Aber in der Phase, in der wir uns derzeit befinden, muss die Zeit der Verordnungsermächtigungen vorüber sein und die Zeit der normalen legislativen Akte ist wieder gegeben.
2. Das ermöglicht dann auch eine echte Abwägung, welche Maßnahmen denn tatsächlich wirksam und sinnvoll sind. Mehrere der jetzt „erlassenen“ Maßnahmen haben aus meiner (unserer) Sicht nur eine sehr geringe Evidenz. Dazu gehört die Schließung von Kultureinrichtungen, die während der Pandemie in aller Regel ohnehin schon weniger Besucher hatten als davor. Abstandsregeln, Belüftung und v.a. Kontaktnachverfolgung sind da sehr gut zu realisieren, so dass diese Maßnahme wenig zur Eindämmung beizutragen vermag.
3. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des erneuten (Teil-)Lockdowns müssen vollständig aufgefangen werden.“