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Mit DIE LINKE ist eine andere Welt möglich. Anmerkungen zur Hamburg-Wahl

Nach #Thüringen und #Hanau war die Wahl in Hamburg mit Spannung erwartet worden. Auf den Wahlpartys von LINKEN, Grünen und SPD war der Jubel über das mögliche Ausscheiden der AfD fast größer als der über das eigene Ergebnis. Im Laufe des Abends stellte sich das aber als trügerische Hoffnung heraus. Dagegen verfehlte letztlich die FDP den Einzug. Hatte das Paktieren von CDU und FDP mit den Faschisten in Thüringen auf das Wahlverhalten insgesamt keinen nennenswerten Einfluss, war er allein bei der FDP deutlich messbar. Für sie war die Hamburg-Wahl eine klare Quittung.

Bei den Braun-Blauen blieb die Wähler*innenzahl annähernd gleich. Weder mit SPD, LINKEN noch mit der FDP gab es einen Austausch von Wähler*innen. Leicht hinzugewonnen haben sie lediglich von der CDU und aus dem Lager der Nichtwähler*innen. Leichte Stimmverluste haben sie zu verzeichnen in Richtung von Grünen und anderen Parteien. Deutlich wird: Die AfD wird aus einem reaktionären, rassistischen Weltbild heraus gewählt. Im Vergleich zur Wahl 2015 ist der harte Kern relativ unbeeindruckt geblieben vom Mord an Walter Lübcke, dem antisemitischen Terror in Halle oder den Morden in Hanau. Eine Verharmlosung der AfD-Wähler*innenschaft, es seien doch nur Menschen, die ihren Protest ausdrücken wollten, ist nicht sinnvoll. Das macht auch der Umstand deutlich, dass Migrationspolitik nur für die Wähler*innen der AfD ein Thema war.

Die SPD feiert sich nicht zu Unrecht als Siegerin. Den Abwärtstrend zu Beginn des Wahlkampfes konnte sie stoppen, die Grünen wurden auf Distanz gehalten. Die Sozialdemokratie in Hamburg steht dabei traditionell rechts der Bundespartei. In Erinnerung geblieben sind die Law-and-Order-Politik von Olaf Scholz. Der deutsche Finanzminister hat als damaliger Innensenator nicht nur den ersten Toten in der Hansestadt durch einen Brechmitteleinsatz der Polizei (Achidi John) auf dem Gewissen, sondern auch den verheerenden Polizeieinsatz während des G20-Gipfels. Die Grünen in Hamburg sind eher bürgerlich-konservativ aufgestellt, zurückhaltend in der Klimapolitik (Stichwort: Kohlekraftwerk „Moorburg“) und der Sozialpolitik (Stichwort: Ablehnung eines Mietendeckels). Das hat sie möglicherweise auch für bürgerliche Wähler*innen attraktiv gemacht.

Während die SPD deutliche Verluste eingefahren hat, konnte DIE LINKE neben den Grünen, die ihr Ergebnis verdoppelten, in absoluten Zahlen und prozentual ihr Ergebnis steigern. Statt mit 11 wird sie nun mit 13 Abgeordneten in der Hamburger Bürgerschaft vertreten sein. Die Stimmengewinne kamen vor allem aus den Reihen der Nicht- und der ehemaligen SPD-Wähler*innen. Spannend ist, dass das Ergebnis der LINKEN besonders bei den Erstwähler*innen und bei denen bis 34 Jahre mit 14 bzw. 13 Prozent deutlich über dem Gesamtergebnis liegt (das ist nur bei den Grünen ähnlich deutlich). Die Stimmengewinne im Vergleich zu 2015 sind entsprechend vor allem auf Zugewinne bei jüngeren Wähler*innen zurückzuführen.

DIE LINKE ist mit einem kämpferischen und beteiligungsorientierten Slogan in den Wahlkampf gezogen: „Wem gehört die Stadt?“ Wichtige Themen, die in der Stadt eine Rolle spielten waren neben Umwelt und Klima die Verkehrspolitik und Infrastruktur sowie das Thema Mieten und Wohnen.

Gerade beim Thema „bezahlbarer Wohnraum“ hat unsere Partei an Vertrauen hinzugewonnen. In einer Stadt, in der 76 Prozent der Wähler*innen meinen, steigende Wohnungspreise sind ein Problem, ist eine klare Haltung gefordert. In dem Zusammenhang hatten möglicherweise die Diskussionen um Mietendeckel und Enteignungen eine bundespolitische Strahlkraft, die auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Auch beim zweiten Thema, der Verkehrspolitik, hatte die Hamburger LINKE mit ihrem Konzept einer radikalen Verkehrswende die Stimmung auf ihrer Seite: Nicht nur 86 Prozent unserer Wähler*innen, sondern 63 Prozent aller Wähler*innen würden es gut finden, wenn Teile der Hamburger Innenstadt autofrei werden würden. Ähnlich starke Kompetenzen werden der LINKEN nur noch beim Thema soziale Gerechtigkeit zugesprochen. Insgesamt kann die Partei in Hamburg beim Thema des Sozialen Punkten, rechnet man die Frage des „bezahlbaren Wohnraums“ hinzu. So sagen 51 Prozent aller Wähler*innen, es sei DIE LINKE, die sich am stärksten um sozialen Ausgleich kümmere, 49 Prozent, dass sie in einer Stadt „mit großen sozialen Unterschieden besonders wichtig“ sei. Wahlentscheidend war diese Meinung aber offensichtlich eher bei Wenigen.

Hier kommen wir zu zwei Punkten, mit denen wir uns in Zukunft noch stärker beschäftigen sollten, weil sie auch bundesweit von Bedeutung sind: Die Forderungen der LINKEN seien „unrealistisch“ und ließen sich nicht finanzieren. Diese Haltung begegnet uns immer wieder, sei es auf Landes-, Bundes- oder europäischer Ebene. In Hamburg dachten so 61 Prozent aller Wähler*innen. Nun könnte man meinen: Ok, machen wir eine Broschüre, in der wir Punkt für Punkt darlegen, wie im Zuge einer sozial-ökologischen Steuerreform unsere Forderungen finanzierbar sind. Doch ich meine, dies wäre ein Illusion: Konservative Politiker*innen und Anhänger*innen neoliberaler Konzepte, die der Ansicht sind, es dürfe keine Alternative zum Bestehenden geben, der Markt regele letztlich alles, haben über Jahrzehnte ihre Meinungen über Medien, Parteien und Think Tanks wie die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ in die Öffentlichkeit geblasen. Erst in den letzten Jahren öffnet sich durch unterschiedliche Bewegungen, besonders die Klimabewegung der letzten beiden Jahre, ein Fenster, in dem wieder über grundlegende gesellschaftliche Alternativen nachgedacht wird.

Der zweite Punkt: Gefragt, welche Partei denn „im Bund am stärksten zukunftsorientiert“ sei, werden mit 40 Prozent die Grünen genannt. DIE LINKE steht noch hinter FDP und SPD mit 6 Prozent an vorletzter Stelle, knapp vor der AfD mit 3 Prozent. Kann das damit zusammenhängen, dass unsere Partei ihre Entstehungen auch aus Abwehrkämpfen (Hartz IV, Rentenkürzungen, Leiharbeit, kurz: die Agendapolitik von SPD und Grünen) zu verdanken hat? Dass unsere Argumentation zu häufig ein Blick in die Vergangenheit war („ein Spitzensteuersatz wie zu Zeiten von Kohl“), die Beschreibung der Zukunft dabei aber zu kurz kam?

 

In einer Zeit, in der die Klimabewegung Klimagerechtigkeit unter dem Slogan „System Change, not Climate Change!“ auf die Tagesordnung setzt, wird wieder vielerorts über Systemalternativen geredet. Die Grünen, die sich zunehmend das Image einer bürgerlich-staatstragenden Partei geben, haben hier kaum Ideen im Angebot: Das könnte die Stunde der LINKEN sein! Allein müsste sie erkennen, dass Auseinandersetzungen darüber, ob man eher die „urbanen Schichten“ oder „die hart arbeitenden Menschen“ erreichen will, ob Klimapolitik ein grünes Thema sei und man die Sozialpolitik vernachlässigt habe, wie aus der Zeit gefallen wirken.

 

Es ist doch so: Das eine geht ohne das andere nicht. Wahrscheinlich hätten solche Debatten schon in den 1970er Jahren keine Entsprechung in der Wirklichkeit gehabt, umso weniger heute. Es sind häufig Menschen in den Städten, die durch Leiharbeit oder Scheinselbständigkeit ins soziale Abseits gestellt werden. Sie schuften hart, ohne Land zu sehen, würden sich aber als Pfleger*innen oder Paketzusteller*innen nicht automatisch der „Arbeiterklasse“ zurechnen. Genauso hat ein Teil innerhalb der LINKEN noch nicht erfasst, dass Klimakrise und soziale Frage zusammengehören wie Industrialisierung und Arbeiterklasse. Dass es nicht nur national, etwa bei Mindestlöhnen, Sozialstandards, Migration und Flucht, bei Umwelt- und Klimaschutz, bei Stromsperren und Energiepreisen, sondern auch global um Ausbeutung und Klassenverhältnisse geht. Dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht unter dem Motto „Unser Kapitalismus soll schöner werden“ zu gewinnen ist, sondern nur, wenn wir den Kampf um eine solidarische Gesellschaft gemeinsam führen. Lassen wir uns nicht spalten und stellen die Idee in den Mittelpunkt, die einst die globalisierungskritische Bewegung so stark gemacht hat: „Eine andere Welt ist nötig und möglich!“