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Faktencheck: Ist der Verbrennungsmotor sauberer als E-Autos?

Was richtig ist:

  • Die steigenden Emissionen des Straßenverkehrs insbesondere beim Schwerlastverkehr sind gravierend.
  • Im Pkw-Bereich können vor allem kleinere E-Fahrzeuge einen Beitrag leisten, die effektiv mit Energie umgehen.
  • das Dienstwagenprivileg subventioniert große Autos auf Kosten der Steuerzahler*innen und gehört abgeschafft
  • Zu Verkehrsproblemen gehört auch die Wohnungsfrage und die Stadt- und Umlandpolitik. Menschen dürfen nicht gezwungen werden, immer weiter zu pendeln, etwa weil wohnen in der Stadt zu teuer ist.
  • die Klima- und Energiebilanz von Fahrzeugen über deren gesamte Herstellungs- und Nutzungskette muss bilanziert werden.

E-Mobilität ist nicht die Lösung aller Verkehrsprobleme, aber eine mögliche Übergangslösung. Eine Verkehrswende aus linker Sicht bedeutet: motorisierten Individualverkehr drastisch reduzieren durch Alternativen:

* Städte attraktiv machen für Radverkehr und Fußgänger*innen,
* ÖPNV (auch in ländlichen Regionen) ausbauen und auf Perspektive kostenlos,
* stillgelegte Bahntrassen wieder in Betrieb nehmen
* Vorrang für direkte Elektrifizierung,
* Bahn zur Bürger*innenbahn ausbauen

Gerade in den ländlichen Regionen wird man aber kurzfristig nicht auf motorisierten Individualverkehr verzichten können. Hier ist batteriebetrieben Elektromobilität und die entsprechende Infrastruktur zumindest eine Übergangslösung.

1. Treibhausgasbilanz
Die Treibhausgasbilanz geht selbst unter Berücksichtigung aller Vorketten klar zu Gunsten der E-Mobilität aus, wenn man vergleichbare große Fahrzeuge betrachtet und den gleichen Strommix voraussetzt.
Das Umweltbundesamt veröffentlicht seit einigen Jahren genau solche Rechnungen, wer es genauer wissen möchte: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Verkehr/emob_klimabilanz_2017_bf.pdf
Ende letzten Jahres hat sich Agora Energiewende genau dem Thema noch einmal in einer Studie angenommen.

Unbenannt

ICEV Diesel: Internal Combustion Engine Vehicle Diesel (Fahrzeug mit Dieselverbrennungsmotor)
ICEV Benzin: Internal Combustion Engine Vehicle Benzin (Fahrzeug mit Benzinverbrennungsmotor)
BEV: Battery Electric Vehicle (batteriegetriebenes E-Auto)
FCEV: Fuel Cell Electric Vehicle (Brennstoffzellen-Fahrzeug)
ICEV PtL: (Verbrennungs-Fahrzeug angetrieben mit strombasiert hergestelltem Flüssigkraftstoff, PTL:
Power-to-Liquid )

Die Abbildung 11 aus der Studie zeigt für die Kompaktklasse die Ergebnisse für mit konventionellem Benzin und Diesel betriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sowie E-Autos und stellt diese zum einen Brennstoffzellenfahrzeuge gegenüber, zum anderen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die mit strom basierten Flüssigkraftstoff betriebenen werden.

In der weiteren Betrachtung schneiden konventionelle Verbrenner (die übrigens auch bei 3-Liter-Autos nicht kompatibel zu den deutschen Klimaschutzzielen sind) ebenfalls schlechter ab als batteriegetriebene E-Fahrzeuge. Konventionelle Verbrenner sind danach aber derzeit klimafreundlicher als Synfuels- oder Brennstoffzellen-Fahrzeuge.
Kein Wunder, denn nach einer Meta- Studie des Öko-Instituts führt die Herstellung strombasierter Stoffe zu höheren CO 2 -Emissionen als die Nutzung fossiler Alternativen, solange noch erhebliche fossile Erzeugungskapazitäten im Stromsystem eingesetzt werden (ein wichtiger Unterschied zur E-Mobilität, siehe oben). Unter Berücksichtigung auch aller Vorketten etwa könne eine Umstellung der Wasserstoff-Herstellung auf die Elektrolyse könne erst bei 70 Prozent Ökostrom im Netz Treibhausgase einsparen. Ein Klimavorteil von strom basierten Substituten für Diesel und Erdgas ergebe sich gar erst
ab einem rund 80-prozentigen Ökostromanteil an der Stromerzeugung und sei frühestens um das Jahr 2040 zu erwarten.

2. Energieverbrauch

Ähnlich wie die Treibhausgasbilanz sieht für Brennstoffzellen Fahrzeuge und Fahrzeugen mit Synfuels die Energiebilanz im Vergleich zur E-Mobilität verheerend aus. Der Energieaufwand ist bei Synfuels 4- bis 6-mal höher, bei Brennstoffzellenfahrzeugen 2- bis 2-mal. Schuld daran sind die hohen Umwandlungsverluste auf den verschiedenen Stufen, die sich physikalisch auch kaum reduzieren lassen. Die Weiterentwicklung der Technik wird daran auch nichts wesentlich ändern.

Unbenannt1

Die Frage ist: Wo soll all der Ökostrom für Synfuels und Brennstoffzellen herkommen, wenn selbst in Bereichen, die mit E-Mobilität gut abgedeckt werden können, wie es bei Pkws der Fall ist, weiterhin zu erheblichen Anteilen energiehungrige Brennstoffzellen- Synfuel-Autos eingesetzt werden sollen? Sollen entsprechende viele Windkraftanlagen aufgestellt werden? Oder soll in Fortsetzung des Europäischen Kolonialismus der Wasserstoff importiert werden aus Ländern, die selbst Mühe haben, eine Energiewende überhaupt erst einzuleiten?

Unbenannt3

3. Kritische Rohstoffe

Manche „Information“ im Internet legt nahe, dass vor allem die Herstellungsketten der E-Mobilität, und nicht die der konventionellen Öl- und Gasförderung sowie Automobilindustrie Umwelt- und Menschenrechtsprobleme verursacht. Ich möchte hier auf keinen Fall die ökologischen und menschenrechtlichen Probleme kleinreden, die auch mit dem Ressourcenverbrauch der E-Mobilität verbunden sind. Viele davon ließen sich bei entsprechender Überwachung von Lieferketten beheben oder abmildern, sicher aber nicht alle. Das ist aber eine Problematik, die jeglichen Verbrauch von Rohstoffen betrifft, sei es für Laptops, Handys, Wasserstoffautos oder eben konventionelle
Verbrennungsmotoren. Zentral ist hierbei: 1. Reduzierung des Einsatzes problematischer Rohstoffe wie Lithium und Kobalt – die Forschung geht genau in diese Richtung. 2. Rohstoffe aus Quellen, die nachgewiesenermaßen ohne Verletzung der Menschenrechte, mit fairer Arbeit und unter Wahrung von Umweltschutz und der Rechte der heimischenBevölkerung gewonnen werden. 3. Recycling: Entsorgung muss teuer gemacht werden, Recycling muss gefördert werden und die Quote erhöht werden. 4. Bei der Produktion der Fahrzeuge muss ein möglichst großer Anteil Erneuerbarer Energien zum Einsatz kommen.
5. Im Ergebnis ist die alles entscheidende Frage: Gelingt die Energiewende? Werden die Erneuerbaren Energien so rasch ausgebaut, wie es notwendig ist? Hier müssen wir weiter Druck machen.

4. Kosten

Oft wird behauptet, e-Autos wären nur etwas für Besserverdienende. Für die Vergangenheit stimmt das sogar, inzwischen ist das e-auto aber voll konkurrenzfähig und durch die Umweltprämie sogar auch mal günstiger, insbesondere wenn nicht nur die Anschaffungskosten betrachtet werden, sondern auch der Verbrauch. Durch geringere Wartungs- und Energiekosten liegt das e-Auto hier sogar vorn.

5. Beschäftigung

Oft wird mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen argumentiert. Es kann keine linke Politik sein, arbeitsintensive und umweltschädliche Arbeitsplätze ohne Zukunft zu erhalten, anstatt sich für eine Transformation von Arbeit stark zu machen. Der Mensch hat immer danach gestrebt mit wenig Aufwand möglichst viel Ertrag zu bekommen wie möglich. Mit dadurch frei werdenden Ressourcen könnte eine kurze Vollzeit für alle ohne Einkommensverlust durchgesetzt werden oder noch größere gesellschaftlich transformatorische und zukunftssichere Projekte im Bereich der Beschäftigung und des sozial-ökologischen Umbaus angegangen werden.

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